Jeder kennt Slovenien, Kroatien, Bulgarien u.s.w. - aber kaum jemand kennt Mazedonien - oder jetzt offiziell Nordmazedonien, wie das Land nach Beilegung eines kleinlichen Namensstreits mit Griechenland nun heißt.
Dabei gibt es kein Balkanland mit einem größeren Anteil an Bergen und sogar internationale Wettkämpfe werden dort regelmäßig ausgerichtet. Nachdem ich bereits letztes Jahr die Ozone Krushevo Open kurz besucht hatte, mußte Paul dieses Jahr mit auf größere Erkundungstour.
Nach frühem Aufstehen und pünktlichem Flug von Eindhoven (außer den Billigairlines fliegt fast nix nach Skopje und die haben miese Abflugzeiten) waren wir kurz nach Mittag in Skopje. Busse fahren nach jedem angekommenen Flugzeug in die Stadt und unser Appartement für die ersten drei Tage konnten wir fußläufig erreichen.
Skopje
Die Haupstadt Skopje und deren Umgebung haben wir die ersten 3 Tage erkundet. Die Stadt wirkt in den Neubaugebieten relativ modern, der brutalistische Baustil ist allerdings sicherlich nicht jedermanns Sache. Gefühlt erinnern fast alle Denkmäler an die kriegerische Vergangenheit und Zerrissenheit des Balkans. In der Altstadt sind hingegen noch die Einflüsse des osmanischen Reichs klar zu erkennen. Skopje ist eine Stadt mit vielen Restaurants, eingebettet zwischen Bergen in einer weiten Ebene. Nicht unähnlich zu Jerewan, wobei letztere allerdings etwas mehr Charme bzgl. des Neubaustil hatte.
Wir haben hier oft gut und preiswert gegessen, allerdings falls jemand nach uns Skopje besuchen will, so habe ich noch eine Flasche hochgeistiges Getränk als Geschenk zum Mitnehmen für unser letztes Restaurant. Bitte die Lunte vor der Übergabe anzünden nicht vergessen - an die letzte Nacht in Skopje auf der Toilette und die Zugfahrt nach Prilep habe ich nämlich so gar keine gute Erinnerung. Paul hat die Lebensmittelvergiftung zum Glück erst mit 18h Verzögerung erwischt - was ihn allerdings den ersten Flugtag in Krusevo gekostet hat.
Skopje hat übrigens sogar seinen eigenen Hausberg (Vodno) mit Startplatz. Erreichbar ist die Talstation mit dem Bus für 35 MKD und die Bergbahn kostet gewaltige 150 MKD (2.20 EUR) pro Person. Das sehr gewittrige Wetter hat uns jedoch vom Fliegen hier abgehalten, zumal die Landemöglichkeiten am Fuße des Berges und in der Stadt nicht so ganz das Wahre sind. Dennoch sollte man sich den Ausblick auf die Stadt vom Millenium-Kreuz gönnen.
Die Matka-Schlucht
Als bekannteste Sehenwürdigkeit und Naherholungsziel ist in rund 15 km Abstand und ebenfalls für 35 MKD mit dem Bus erreichbar die Matka-Schlucht - absolut sehenswert. Man sollte die größere Bootsrundfahrt mit Höhlenbesichtigung mitmachen, auch wenn das Angebot sicher so etwa das Touristischste ist, was man in Mazedonien finden wird. Absolut perfekt an sehr heißen Tagen mit fast 30°C. Wir fanden die extrem steile Schlucht mit ihren grünen Hängen ziemlich malerisch und auch eine gute Abkühlung vom heißen Wetter.
Man kann auf einem schmalen Weg die Schlucht entlang wandern, müßte allerdings zum Besichtigen der Höhle den Fluß durchschwimmen, da es weiter keine Brücke gibt. Kanus kann man als Alternative für die Bootstour ausleihen, wobei die Höhle relativ weit weg vom Bootsverleih ist - das wäre insgesamt eine mehrstündige Tour.
Außerdem gibt es mehrere alte Kloster zu besichtigen, die wir wegen der notwendigen Höhenmeter und hohen Temperatur ausgelassen haben. Das nachmittägliche Gewitter war bereits auf dem Wetterradar zu sehen und davon wollten wir uns nicht überraschen lassen.
Der Busverkehr in Skopje ist übrigens ziemlich brauchbar und mit 35 MKD Einheitspreis für eine Fahrt preiswert. Schwieriger ist es da schon, die richtige Haltestelle und Buslinie zu ermitteln. Es gibt zwar mehrere Apps, aber wirklich aktuell und leicht nutzbar war keine. Bezahlen sollte man mit einer speziellen elektronischen Karte, die an gut einem dutzend Stellen in der Stadt verkauft wird. Informationen dazu findet man balkantypisch nicht so leicht - Durchfragen ist angesagt.
Kruŝevo
Als höchstgelegene Kleinstadt Mazedoniens bietet Kruŝevo nicht nur eine fantastische Aussicht über das Tal von Prilep, sondern auch beste, meist windarme Flugbedingungen zum Gleitschirmfliegen. Da ich bereits vom Vorjahr her das Fluggebiet und die Ozone Kruŝevo Open kannte, hatten wir uns auch dieses Jahr angemeldet.
Die Anreise erfolgt wahlweise mit Bus direkt oder über Prilep per Bahn. Taxi geht für 90 EUR natürlich ebenfalls. Da der Bus - wie ich aus dem letzten Jahr noch wußte - ein reichlich unkomfortabler, überfüllter und heruntergekommener Kleinbus ist, wurde es diesmal die Bahn. Ziemlich verfallen ist der Bahnhof von Skopje und der Sowjetcharm ausgeprägt, aber letzendlich fährt der Zug pünktlicher als die deutsche Bahn und ab Prilep ist es nicht mehr weit mit dem Taxi. Man sollte nur darauf achten, kein inoffizielles Taxis zu erwischen wie wir. Unser Taxifahrer hat an der nächsten Tankstelle die Taxibeschriftung entfernt und immer zwischendurch den Motor ausgemacht, um etwas Sprit zu sparen - ob das wohl eine erfolgsversprechende Strategie ist?
Der Wettkampf war wie immer sehr gut organisiert und letzendlich jeder Tag irgendwie fliegbar. Die Bedingungen waren aber an den letzten 2 Tagen nicht mehr wettkampftauglich und auch ansonsten eher schwach, so daß jeweils nur wenige und manchmal auch keine Piloten ins Ziel kamen. Es hatte hier leider in den letzten Wochen viel zu viel geregnet und demzufolge war es eher feucht und die Basis mäßig. Gefolgen sind wir dennoch sehr nett und ich bin sogar einmal mit rund einem Duzend anderer Piloten (von 69 Teilnehmern) ins Ziel geflogen - wenn auch erst nachdem der Task gestoppt wurde wegen leichter Überentwicklung. Kruŝevo bietet eine ziemlich einzigartige Kombination von Berg- und Flachlandfliegen, wie man es zusammen nur an wenigen Orten finden kann.
Ergänzt wurde der Wettkampf durch mehrere Vorträge und Videos von Antoine Girard und Jocky Sanderson. Sehr lohnenswert und eindrucksvoll. Wer noch einen guten und noch nicht überlaufenen Einstiegswettkampf sucht, ist hier gut aufgehoben. Noch, denn der Andrang wird größer werden, wage ich vorherzusagen.
Ganz am Ende erfolgte dann die Verlosung eines Gleitschirms von Ozone, was ausgesprochen großzügig ist und für extra Nervenkitzel sorgt, vor allem wenn man plötzlich seinen eigenen Namen hört und es dann kaum glauben kann, tatsächlich der glückliche Gewinner zu sein. Wenn an einem keine Frage bestehen kann, dann daß dies für mich der insgesamt lohnenswerteste Wettkampf meiner Wettkampfs-Nicht-Karriere war. Viel gelernt und einen Gleitschirm gewonnen - und das ohne dafür was Besonderes geleistet zu haben! Unglaublich. Und irgendwie kann ich das immer noch nicht ganz glauben.
Auf jeden Fall vielen Dank nochmals an das Organisationsteam für den perfekten Wettkampf und Danke an Ozone für das Sponsoring.
Tetovo
ist zwar nicht die größte Stadt Mazedoniens, jedoch die Stadt mit dem stärksten albanischen Einfluß (90% Albanier) und somit so etwas wie klein-Istanbul. Obendrein liegt sie am Fuße des Ŝar-Gebirges und somit des höchsten Gebirges von Nordmazedonien, direkt unter Titos Gipfel (2747 m). Den mußten wir natürlich auch besuchen.
Zwar war das Wetter etwas durchwachsen diese Woche, aber 3 schöne Flugtage haben wir dennoch hinbekommen. Man fährt dazu zum Skigebiet Popova Ŝapka mit dem Taxi und wenn man den richtigen Taxifahrer hat auch etwas abenteuerlich zu den Antennen weiter, wo sich der Startplatz befindet.
Das Fliegen dort ist deutlich hochalpiner als in Kruŝevo und es fliegt sich am besten bei leichtem Nordwind trotz Ostausrichtung des Starts. Bei 15-20 km/h Nordwest konnten wir dank guter Thermik auch noch fliegen, allerdings war die Leesituation schon leicht zu spüren. Wer dort fliegt sollte sich unbedingt an Vlatko, den Vorsitzenden vom lokalen Club Ljuboten wenden, der sehr hilfsbereit und nett war und natürlich die Wetterlage am besten einschätzen kann.
Die etwas windigeren Tage haben wir mit Sightseeing und Wanderungen verbracht. Die bewegte und erst vor 20 Jahren noch durch einen Aufstand geprägte Geschichte von Tetovo wird in den Bergdörfern oberhalb der Festung Tetovo sehr lebendig.
Auffällig ist ansonsten der deutlich größere Gegensatz zwischen Arm und Reich in Tetovo. Neben durchaus noblen Restaurants und Geschäften finden sich relativ viele verfallene Häuser und Tetovo war auch die einzige Stadt, in der wir (vermutlich teilweise organisierte) Bettelei als störend wahrgenommen haben. Der islamische Einfluß zeigt sich auch im Wahrzeichen der Stadt, der bunten Moschee, die man außerhalb der Gebetszeiten besichtigen kann.
Mavrovo Nationalpark
Dank des nicht ganz idealen Wetters hatten wir Zeit, den Mavrovo Nationalpark zu besichtigen. Der Park ist Natur pur und noch relativ unberührt vom Tourismus, vielleicht mit Ausnahme des Mavrovo Sees, den wir zuerst besucht haben.
Dort befindet sich eine, mittlerweile nur noch zur Schneeschmelze nach dem Winter halb versunkene alte Kirche.
Weiterhin befindet sich dort ein sehr kleines Skigebiet, dessen Seilbahn wohl am Wochenende teilweise läuft. In der Woche ist der See Natur pur und sonst nix los - man trifft sich eher am Wochenende. Wir sind von dort nach einer kleinen Wanderung zur Kirche weiter zum Kloster Jovan Bigorski, welches sich kurz vor der Grenze in wirklich spektakulärer Lage befindet und in sehr gutem Zustand ist.
Besonders sympathisch war uns deren Auffassung zum ansonsten ubiquitären Rauchen überall.
Gerne hätten wir hier etwas mehr Zeit verbracht, wegen der isolierten Lage und geringen Infrastruktur braucht man für Wanderungen jedoch viel Zeit und Organisationsaufwand. So relativ unberührte Natur findet sich nicht mehr viel in Europa.
Fazit
Wer Balkan abseits vom Tourismus und mit viel unberührter und spektakulärer Bergwelt erleben will, andererseits aber keinen Strand benötigt, der ist in Nordmazedonien gut aufgehoben und kann dort sehr günstig Urlaub machen. Fliegerisch ist sicher Kruŝevo am zuverlässigsten, allerdings kann man auch in Tetovo und eingeschränkt in Skopje fliegen, wobei Letztere Fluggebiete zunehmend weniger anfängertauglich sind.
Nicht erwähnt wurde in diesem Bericht Ohrid, wo sich der wohl bekannteste See in Mazedonien befindet und wo es ebenfalls ein (allerdings überwiegend Nachmittags-) Fluggebiet gibt. Den See hatte ich bereits 2021 besucht und diesmal ausgelassen. Gerüchteweise soll es dort auch einen weiteren internationalen Flughafen geben - ich fand nur keine relevanten Flüge dorthin ohne Umsteigeorgien.
Die Anreise nach Skopje geht praktisch nur mit Wizzair von z.B. Eindhoven, Bremen oder Köln aus. Man könnte auch nach Thessaloniki fliegen, nur fahren von dort aktuell keine Züge und der Bustransfer ist langwierig und mühsam, nach Krusevo sogar mit mehreren Umstiegen. Etwas bessere Busverbindungen nach Skopje gibt es von Nis (serbien), Pristina (Kosevo) und Sofia (Bulgarien), zumindest solange Corona nicht wieder zuschlägt.
Preislich ist eine Nordmazedonienreise ziemlich günstig, wir kamen mit gut 1000 EUR für 2.5 Wochen all inklusive hin. Wer oppulent auf 4 Sterne Niveau übernachten will, kann das für 60-90 EUR die Nacht pro Zimmer ebenfalls tun.