Kolumbien
Bei Kolumbien gibt es für den gemeinen Vertreter der Gattung Deutschländer nur eine Assoziation - siehe Titel. Ebenso geht es dem Gleitschirmflieger, nur heißt das Schlagwort da: Roldanillo. Ganz so einfach wollten wir es uns nicht machen und etwas mehr vom Lande sehen, als nur diese eine, mittlerweile in Gleitschirmflugkreisen weltbekannte, Kleinstadt.
Bogotá
Darum haben wir am Anfang gleich erst mal drei Tage in Bogotá eingeplant, dem etwas größeren Dorf, mit seinen je nach Zählung 8-12 Millionen Einwohnern.
Ob es weise Voraussicht war oder einfach nur Glück, daß wir hier 3 Tage eingeplant hatten, weiß ich selber nicht. Jedenfalls begrüßte mich nach langem Flug via Istanbul direkt Paul am Flughafen - ohne Gepäck. Sein Flüg über Madrid war nämlich kürzer, jedoch bzgl. des Gepäcktransportes auch entscheidend weniger zuverlässig gewesen. Gut, daß wir noch 3 Tage hatten, uns um das fehlende Gepäck zu kümmern.
Zwischendurch haben wir uns natürlich die Stadt ausgiebig angesehen, mit ihren zwar vorhandenen und schönen, aber nicht allzu zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Am bekanntesten ist der Monserrate, von dem aus das obige Foto über die Stadt aufgenommen ist. Es gibt jedoch auch einige schöne Plätze und Gäßchen in der Altstadt.
...mit einzelnen nicht ganz so aufgeweckten Zeitgenossen.
Museo del Oro
Und das Goldmuseum. Nur schade, daß die Exponate sich eher nicht zum Mitnehmen eignen. Panzerglas und Polizeibewachung verhindern dies doch effektiv.
Man bekommt einen guten Eindruck vom Glanze vergangener Zeiten, nach denen sich die Bogotaner spürbar zurücksehnen. Etwas, woran sie auch geschäftig arbeiten, wie viele Neubauten im Finanzsektor beweisen.
Sopó
Ist eine kleine Stadt 40 Minuten nordwestlich von Bogotá. Mit dem Bus vom Portal del Norte aus problemlos und in Rekordzeit erreicht, machten wir uns auf ins Fluggebiet El Paraíso. Ganz ohne Fliegen wollten wir Stadt nicht verlassen. Zumal bei dem Namen...
Paul's Gepäck war mit einem Tage Verspätung zum Glück auch angekommen. Die Abholung mit den Transmilenio Nahverkehrsbussen zur Rush-hour war ein echtes Abenteuer. Die Fliegerei in Sopó ebenso, denn der Wind kam von hinten. Aber auf der anderen Bergseite gab es einen kleinen Startplatz, den wir nach nur wenigen kleinen bürokratischen Hürden nutzen durften.
Gereicht hat es für einen entspannten 30 Minuten Flug am Vormittag. Wir sind nach dem Mittag noch mal hoch, mittlerweile hatte sich allerdings nicht nur die Besucherschaar deutlich entwickelt, sondern auch die Windbedingungen. Da das unser ersten Flugtag war, haben wir lieber bei den Tandem-Sektkorkenstarts zugeschaut. Als die Windböen dann langsam die 50 km/h Marke überschritten und die Tandems zusammenpacken mußten, sind wir wieder nach Bogota zurück.
Dabei haben wir einige schöne Eindrücke und Paul auch einen gehörigen Sonnenbrand mitgenommen. Tja, Äquatorsonne und 3200m sind ohne Sonnencreme sogar für Paul's gut vorgegerbtes Gesicht etwas zu viel des Guten.
Valle de Cauca
Nach drei Tagen sind wir schließlich per Inlandsflug weitergereist nach Cali, um uns von dort zu unserem ersten Fluggebiet durchzuschlagen, welches auf den wohlklingenden Namen Piedechinche hört und logistisch von Santa Elena aus erschlossen wird.
Die Anreise stellte uns, so frisch im Lande und mit mäßigen Spanischkenntnissen, erst mal auf eine deutlich Probe: Nach 2 Stunden Schwitzen waren wir schließlich der lokalen Busmafia in Palmira entkommen (die gerne den 20 fachen Tarif von uns kassieren wollte - gut daß es hilfsbereite Kolumbianer gibt, die das nicht mit ansehen konnten!) und haben am Nachmittag in der Posada Esperanza Quartier bezogen.
Santa Elena ist zwar nur ein kleines und beschauliches Dorf, aber der auf den Namen Piedechinche hörende Startplatz ist umso eindrucksvoller. Da hätte sogar Tiger Woods seine Freunde dran.
Und es flog gleich sehr gut. Wegen der eher niedrigen Basis haben wir uns noch keine großen Aufgaben zugetraut, aber jeden Tag 2-3 Stunden fliegen ist schließlich auch nicht zu verachten und war ein gutes Eingewöhnungsprogramm auf das, was bald folgen sollte. Nämlich einfach nur jeden Tag fliegen bis zum Abwinken.
Roldanillo
Nach diesmal völlig problemloser Busanreise - in der Umgebung von Roldanillo führen alle Wege wie von Geisterhand automatisch ins Fliegermekka - hieß es Unterkunft suchen.
Wir landeten schließlich im Hotel Balcones del Parque, ein vormals feudales Hotel, nachträglich ausgerüstet mit Klimaanlage und heute nicht mehr ganz so luxuriös, jedoch zentral gelegen.
Mittlerweile finden sich zur besten Jahreszeit durchaus 200-300 Gleitschirmflieger in Roldanillo ein. Nicht zu viel angesichts der Stadt von 50000 Einwohnern und 3 Startplätzen (davon zwei sehr geräumig), nur die Hotelpreise versaut es etwas: Für Kolumbien sind 26 EUR die Nacht für ein Doppelzimmer in Langzeitmiete nämlich eigentlich zu viel (bzw. ein Großstadtpreis).
Fliegerisch braucht man zu Roldanillo wohl nicht mehr viel zu sagen: Fliegbar praktisch jeden Tag, fast egal wie es morgens aus sieht. Wann man zum Startplatz hochfährt und zunächst die Wolken küssen kann, kann man bei uns zu Hause in der Regel den Tag vergessen.
Nicht so in Roldanillo - eine halbe Stunde später sind an diesem Tag 100 Leute zu ihrem stundenlangen Streckenflug aufgebrochen.
Fliegerisch gibt es nur wenige Gebiete mit mehr Zuverlässigkeit und Potential für entspanntes FAI Dreiecksfliegen (Weltrekorde wird man hingegen nicht hinbekommen). Dreiecke bieten sich an, da in Roldanillo selten viel Höhenwind ist. Weiterhin ist die Thermik wohldosiert und man kann wählen zwischen Bergfliegen und Flachlandfliegen. Letzteres freilich mit relativ zuverlässiger Thermik und effektiven Basishöhen von oft 1500m über Grund und mehr.
Und wer mehr als 3-4 Stunden fliegen will, der muß hier sogar Flachlandfliegen. Irgendwann kommt nämlich der Pacifico: Der Seewind aus mehr als 100 km Entfernung überspült die erste Kordillerenkette, an der wir hier starten, und löst die Thermikwolken auf. Wegen dieses Phänomens soll man später am Tage nicht mehr in Roldanillo landen, denn der Pacifico erreicht in Böen manchmal 50 km/h.
Davon haben sich freilich ganze Horden nicht abhalten lassen, zumindest bis ca. 15 Uhr in Roldanillo nach erfolgreichem Streckenflug dort einzulanden. Es ist schließlich sehr bequem und man sieht ja, ob noch Thermikwolken über den Bergen stehen. So dachte ich auch und hab mich verführen lassen (man nennt es Lemming Effekt). Das hat mir 3 entspannte Landungen in Roldanillo beschert, in 5 Minuten Abstand zum Hotel.
Nicht so dem Piloten, der kaum 5 Minuten (!) nach mir im Stadion gelandet ist und nach einer 40er Böe mit Klapper aus der Luft purzelte. Zum Glück hat er sich nix getan und ich konnte den Bericht kaum glauben - bis ich zu den Bergen aufgeschaut habe - alles Blau plötzlich! Man denkt zwar bei Seewind nicht dran, aber das ist ein erstklassiger und vollausgeprägter Föhndurchbruch, der sich in 5-10 Minuten abspielt und hinreichend tückisch ist, um selbst gelegentlich sehr gute Wettkampfpiloten in die Dächer zu drücken, wenn sie denn unvernünftig waren. Und der Pacifico kommt jeden Tag - nur wann und wie ausgeprägt, das ist die Frage.
Fazit: Das war meine letzte Landung bequem in Roldanillo gewesen. Man muß es gesehen haben, um es zu begreifen. Aber der Pacifico-Föhn ist unberechenbar. Meist kommt er erst um 15-16 Uhr, doch manchmal eben schon um 13.30. Das jeweils unangekündigt. Und genau deshalb gibt es den sogenannten "Airstrip" Landeplatz 10 km außerhalb, den ich ab da immer brav genutzt habe. Ich rate allen anderen Piloten, die Warnungen ebenso zu berücksichtigen, selbst wenn es in Roldanillo mittlerweile viele, viele Lemminge und sogar einen semi-offiziellen Landeplatz gibt!
Pferdeumzug und Carneval
Feiern und Musik gehören zu Kolumbien - wie Regen zu Amsterdam. Den frühaufstehenden Gleitschirmflieger mag es ab und an nerven, aber in Kolumbien ist vor allem am Wochenende immer was los. Zum Beispiel eine Pferdeparade mit sicher 500 Reitern und entsprechenden Festivitäten. Das Foto gibt leider nur unzureichend den Troubel wieder.
Oder halt ein Karnevalumzug einfach so, zum Spaß. Dauer sicher eine Stunde - mit zahlreichen farbenfrohen Wagen, viel Tanz und Musik.
Und da Roldanillo ganz im Zeichen des Gleitschirmfliegens steht, darf dieses Motiv, welches übrigens in formatfüllender Weise auf jedem Bus der lokalen Busgesellschaft "De Occidente" prangt, hier nicht fehlen.
Und auch so manche Auto-Darbietung, die bei uns sicher nicht möglich wäre.
Viel ließe sich zu Roldanillo und den fliegerischen Möglichkeiten noch sagen, jedoch bevor der Bericht eine zweistellige Seitenzahl erreicht, verweise ich lieber auf die am Ende eingefügten Bilder.
Armenia
Die Rückreise hatten wir eigentlich über Pereira geplant. In Kolumbien ist es jedoch anscheinend normal, schon mal einen ganzen Flughafen einfach kurzfristig einen Tag wegen Wartungsarbeiten zu schließen. So ging unser Rückflug nach Bogotá halt von Armenia aus. Was letzendlich von Roldanillo sogar der nächstgelegene internationale Flughafen ist.
Gelegen an den Zentralkordilleren am Rande der Kaffeeanbaugebiete, ist Armenia eine Großstadt mit ca. 300000 Einwohner. Deutlich schwüler und mehr zur Überentwicklung neigend als Roldanillo, gibt es hier dennoch ein Hausfluggebiet (Cerro de Castillo). Die eindrucksvolle Gewitterneigung hat uns jedoch überzeugt, es die letzten 3 Tage ruhig angehen zu lassen und etwas mehr Sightseeing einzuplanen. Wir hatten schließlich mit knapp 40 Stunden genug geflogen mit unseren Plastiktüten.
Salento und das Cocora Tal
Am Eingang des Valle de Cocora liegt Salento, ein malerisches Städtchen, kurz bevor es in den Parque Nacional Natural los Nevados geht. Auf die Besteigung des Nevado del Quindío mußten wir aus Zeitgründen zwar verzichten, die Landschaft mit den Wachspalmen ist jedoch auch so schon einzigartig und sehr fotogen.
Parque Nacional del Café
Nach so viel Landschaft wollten wir nun etwas mehr Action und haben uns den Kaffeenationalpark vorgenommen.
Neben einem Museum über die Kaffeekultur, vielen kolonialen Gebäuden im Stile des Blütezeit des Kaffeeanbaus, einem Bambusurwaldpark und einer schwungvollen Tanzshow bietet der Park außerdem mehrere Achterbahnen und sonstige Fahrgeschäfte, die wir ausgiebig getestet haben.
Wie immer vergeht die Zeit im Urlaub viel zu schnell, und so war es bald Zeit zur Heimreise.
Rückreise
Nach einer kurzen Übernachtung in Bogotá sind wir schließlich getrennt per großem Flugzeug wieder nach Amsterdam aufgebrochen. Paul via Madrid mit Air Europa, welche ihn bezüglich des Gepäcktransportes bei der Hinreise so schmächlich im Stich gelassen hatte und ich via Istanbul.
Dachte ich, denn vorher gab es noch kostenlos und ohne Angabe im Reiseplan einen Stop in Panama City, welcher die Gesamtflugdauer auf somit 16 Stunden steigerte - wohlgemerkt ohne den Zubringer Istanbul-Amsterdam. Das mach ich beim nächsten Mal anders, egal wie preiswert die Tickets von Turkish Airlines noch sind!
Fazit
Kolumbien ist aktuell eines der attraktivsten Reiseländer in Südamerika: Es hat sich Vieles zum Positiven entwickelt und wir haben uns eigentlich nie unsicher gefühlt.
Nach Allem, was wir so mitbekommen haben, dürfte die Sicherheitslage in Kolumbien besser sein als in Brasilien oder Mexiko. Wobei die öffentliche Meinung im Rest der Welt zum Glück der Entwicklung hinterher hinkt. So kann man viele Orte in Kolumbien noch ohne allzu viel störende Touristen und deren negative Begleiterscheinungen bewundern.
Ausnehmen davon muß man Cartagena und die Großstädte Bogotá und Medellín, die langsam mehr Tourismus sehen. Aufgrund ihrer Größe verläuft es sich jedoch in Letzteren.
Wer ein bischen Spanisch kann (sehr empfehlenswert, denn außerhalb der Großstädte versteht niemand auch nur ein Wort Englisch), wird sich hauptsächlich vor Taschendieben und gelegentlichen Abzockversuchen vorsehen müssen (informiert Euch vor der Landung in Bogotá über die Taxipreise).
Und was das Gleitschirmfliegen angeht, ist Kolumbien einfach ein gesegnetes Land und Roldanillo sowieso das Fliegermekka.
Ansonsten schaut selbst in der Bildergalerie:
Und weil es so schön war, Januar 2023 noch mal: Mittlerweile haben sich ein paar Kleinigkeiten geändert. Die "importierte" Gleitschirmszene ist gewachsen und Vieles hat sich professionalisiert. Mit allen Vor- und Nachteilen:
In Roldanillo ist der Hauptstartplatz Aguapanela mittlerweile mit eigenem Klo und Verkaufsständen bewirtschaftet, Eintritt 10k COP. Und ist kapazitätsmäßig zu Stoßzeiten definitiv am Limit und nicht mehr so wirklich entspannt. Die Anzahl der Piloten in Rolda würde ich kurz vor und während der Wettkämpfe auf rund 400 schätzen. Das verfliegt sich nach wie vor einigermaßen in der Luft, ist aber an den Startplätzen schon als überfüllt zu bezeichnen. Pico war teilweise geschlossen und es werden weitere Startmöglichkeiten mehr oder weniger wild erkundet. Schon ein bischen "over the top" - ich hoffe das beruhigt sich etwas. Fliegen tut es immer noch gut natürlich. Einige Gruppen weichen nach La Union (Los Tanques Start) aus, was vor allem für weniger erfahrene Piloten auch sehr vernünftig ist - die Stadt an sich ist jedoch weniger schön als Rolda.
Insgesamt ist das Verhalten (vor allem) einiger geführter Reisegruppen etwas zweifelhaft insbesondere in Rolda. Es bekommt dem Fluggebiet und so manchem Piloten nicht ganz so gut. Geflogen wurde teilweise auf Teufel kom raus, dabei eignet sich das Gebiet als Idiotenpumpe nicht sehr gut.
In Piedechinche, wo bei meinem letzten Besuch noch nicht viel los war - und auch in Ansermanuevo, muß man mit rund 30-50 Piloten rechnen. Was noch ok ist. Besonders nett ist in Ansermanuevo auch mal oben in Wayra zu übernachten - Reservierung benötigt allerdings kolumbianische Hilfe (Anzahlung nur per kol. Konto), weshalb das von den Ausländern auch noch nicht allzu viel genutzt wird. Vermutlich ist das gut so, denn noch ist es da Nachmittags eher ruhig.
Noch etwas weiter hoch Apia (bei Viterbo) kann ich als Fluggebiet auch empfehlen. Die Logistik ist allerdings nicht ganz so einfach wie in Roldanillo. Dafür ist die Gegend besonders schön dort. Fliegerisch ist das Gebiert dort etwas weniger / später für den Pacifico anfällig, das Flachland jedoch auch etwas weniger ergiebig.Traumhaft schön der Flug auf die andere Seite zur Christus Statue. Das geht wie in Rio jedoch nur an guten Tagen.