Den Gleitschirm auf Reisen mitnehmen
Wer wie wir im hohen Norden wohnt, kommt kaum umhin, seinen Gleitschirm auch mit auf Reisen zu nehmen. Und wer eine Reise tut, der kann was erzählen - von den kleinen Pannen und Problemen. Und da so Manches immer wieder vorkommt und leider schon Reisende aufgehalten hat, hier eine kleine Zusammenfassung der geläufigsten Problemchen und deren Lösung. In der Schulung lernt man diese Kleinigkeiten leider eher nicht.
Am Anfang steht der Transport. Hier haben wir Glück, daß unser Fluggerät in einen etwas klobigen Rucksack paßt. Und der muß dann nur noch mit.
Transport im Flugzeug
Früher war alles besser - stimmt nicht! - jedoch bzgl. der Sportgepäckregelung schon. Heutzutage empfiehlt sich und ist durch viele reiselustige Mitglieder von uns bereits erprobt:
- Der Gleitschirmrucksack wird auf genau 23 kg (Billigflieger teilweise nur 20 kg) aufgefüllt und als "Rucksack" im ganz normalen Aufgabegepäck eingecheckt. Kein Hinweis auf die Sportausrüstung.
- Immer häufiger muß man hierzu den Classic u.s.w. Tarif buchen. Der billigste "Light" Tarif bzw. die niedrigsten Buchungsklassen haben selbst bei normalen Fluggesellschaften oft kein Aufgabegepäck mehr inkludiert. Leider.
- Umsteigeverbingungen innerhalb Europas vermeiden und bei Fernreisen keine zu knappen Umstiege (<3h ist knapp), da sonst das Gepäck zurück bleiben kann. Mit Glück kommt es dann 1 Tag später. Mit Pech am Ende des Urlaubs. Über die Entschädigung darf man sich streiten.
- Wertvolle Elektronik ins Handgepäck. Das Gewicht des Handgepäcks ist in der Praxis fast egal, solange das Volumen den Regelungen entspricht. Ansonsten kommen hier die Klamotten rein, die nicht knittern sollen.
- In Ländern der 2. und 3. Welt kann man sehr günstig Waschen lassen: Lavanderia in Mexiko z.B. 10 kg Wäsche 3 EUR. Es darf demzufolge etwas weniger Klamotten sein. Vorsicht: In Hotels kann es viel teurer sein, man gehe zur Nachbarschaftswäscherei.
- Einschweißaktionen oder sonstige Umverpackungen um den Packsack sind überflüssig. Es kann jedoch sein, daß der Schirm länger hält als der Packsack - kein Problem, dafür gibt es bezahlbaren Ersatz.
Beschädigungen der Ausrüstung
Der Packsack kommt zu 99% mit dem normalen Gepäck aus der Klappe, selbst dann, wenn man beim Check-in gebeten wurde, den zum Sperrgepäck zu tragen. Einmal hab ich es anders erlebt (also zur Sicherheit Sperrgepäckausgabe prüfen, bevor man ihn vermißt meldet). Ernsthafte Beschädigungen sind zum Glück sehr selten, wenn dann muß man sie natürlich sofort melden.
Leinenriß
Was hingegen der Klassiker ist und wirklich jeden irgendwann ereilen wird auf Reisen, ist ein Leinenriß beim Start. Besonders auf felsigem Untergrund oder ungepflegten Startplätzen in südlichen Ländern ist dies recht endemisch und zum Glück meist nicht tragisch:
- Es reißt zu 95% eine Galerieleine der Bremsspinne oder der hintersten Leinenebene. Diese trägt kaum Gewicht und der Gleitschirm fliegt fast völlig unbeinträchtigt.
- Einzelne Galerieleinen darf man provisorisch durch Einknoten einer kurzen Reservegleitschirmleine flicken. Ein Stück Reserveleine (mittlere Dicke unummantelt) sollte man immer dabei haben. Ohne Reserveleine darf man die Enden nicht einfach zusammenknoten (Verkürzung), dann müßte man mit gerissener Leine fliegen.
- Selbstverständlich ist das nur eine Übergangslösung und von Freestyle Einlagen und Abspiralen sollte man absehen. Nach dem Urlaub zügig tauschen.
- Niemals hingegen darf man Stammleinen knoten. Der Knoten schwächt die Leine zu stark und den Ausfall einer Stammleine merkt man deutlich. Hier dürfte man nur spleißen - was nur bei unummantelten Leinen wirklich geht (haben als Stammleinen nur C-Schirme aufwärts, was in diesem Falle ein Vorteil ist).
- Ein angerissener Mantel einer Stammleine ist kein Problem. Der Mantel trägt nicht die Last, aber man muß sehr genau prüfen, daß die Seele nicht auch beschädigt ist und sofort nach dem Urlaub tauschen (Abnutzung der freigelegten Seele).
Doch besser Spleißen?
Jeder Knoten schwächt die Leine erheblich. Mindestens 30%, in Extremfällen bis zu 80% (abhängig vom Knoten und Leinenmaterial). Ein Spleiß, wie vom Hersteller verwendet, jedoch nur ca. 10-15%. Deshalb darf man auch nur einzelne Galerieleinen ausnahmsweise mal knoten, nie Mehrere oder gar Stammleinen.
Wer eine Nadel mitnimmt und weiß, wie man spleißt, kann seinen Schirm noch reparieren, wenn mal mehr kaputt geht als die einzelne Galerieleine. Hier ein Video zum Spleißen von Gleitschirmleinen:
Achtung: Nicht schwierig, aber etwas fummelig das Ganze. Sollte man vorher üben. Eine Spleißnadel und Ersatzleine am besten beim nächsten Check des Gleitschirms vom Checkbetrieb beilegen lassen.
Risse im Tuch
Weniger häufig, allerdings kommt es bei Landungen in Gebüsch, Stacheldraht und Adlerangriffen schon vor. Am besten einen Bogen 20x20 cm Klebesegel mitnehmen. Solange nicht die Eintrittskante oder Nähte der Zellen betroffen sind, kann man selbst relativ große Risse einfach selber flicken (Ecken abrunden, faltenfrei verkleben). Das hält meist besser als vorher und ist unter Beachtung der genannten Einschränkungen nicht sicherheitsrelevant.
Wenn das Gurtzeug betroffen ist, muß man prüfen, daß keine tragenden Teile (das sind vor allem die Bänder um das Sitzbrett und zu den Karabinern) betroffen sind. Keine normale Näherei kann das zuverlässig nähen und spezialisierte Betriebe gibts meist nur in Hochburgen des Gleitschirmfliegens! Wenn nur die Verkleidung betroffen ist, kann man entweder selber zur Nadel greifen oder nähen lassen. Klebesegel hält auf Gurtzeugmaterial oft nicht so richtig.
Und am häufigsten überhaupt reißt: Der Beschleuniger!
Immer vor der Reise auf Vorbeschädigungen prüfen, da das wirklich blöd ist, wenn der Beschleuniger im Flug reißt. Kabelbeschleuniger brechen meißt an den Ösen - nix mehr zu machen. Bandbeschleuniger, wo sie angewetzt werden, an der Stufe. Die kann man nähen (lassen), allerdings muß sich derjenige viel Mühe geben beim Nähen, da sie einiges an Gewicht tragen. Die Naht sollte ähnlich der Vernähung der Gleitschirmtragegurte aussehen.
Rettung herausgefallen oder ausgelöst?
Meist wird sie zum Glück nur herausgefallen sein und man sieht es rechtzeitig. Wer mal einen Selbstpackerkurs belegt hat, ist jetzt extrem im Vorteil (Tip: Haben wir schon im Verein organisiert): Etwas Geduld und man baut die in 5 Minuten wieder ein. Benötigt werden 2-3 dünne und stabile Fäden (Gleitschirmleinenstücke gehen auch). Das ist unproblematisch und man lernt es im Kurs.
Ist die Rettung komplett aus dem Innencontainer gefallen, muß man neu packen. Wenn man das kann, ist das selbst im Urlaub realistisch zu machen: Zwei Tische zusammenschieben und neben einen Anker (Pfosten, Baum etc.) stellen. Colaflasche 1L eignet sich zum Beschweren, Seil zum anschlagen am Anker und für die Packhilfe. Leinenkamm läßt sich mit ein paar Pappstücken improvisieren. Es gibt viele Möglichkeiten und die Trainer vom Sicherheitstraining machen es manchmal ebenso.
Hat man die Rettung in der Luft ausgelöst und ist im Baum gelandet, sieht es schlechter aus. Die Rettung sollte man zur Kontrolle einschicken. Schirm meist auch, da kann was gedehnt oder angerissen sein. Ist man hingegen ohne Hinderniskontakt stehend auf der Wiese gelandet, nun ja - der Hersteller schreibt die Nachkontrolle meist vor. Das ist Gewissensache - ich hab schon renomierte Leute gesehen, die das dann einfach so neu gepackt haben. Man sollte noch beachten: Gewisse Leichtretter sind deutlich empfindlicher und sollten nach jeder Auslösung vom Hersteller überprüft werden. Diese Retter halten einfach nicht beliebig viele Auslösungen aus. Da hat der Leichtbau seine Nachteile.